Das Alter

Eine Erkenntnis

Ich war schon als Kleinkind, und erst recht in der Jugend, ein aufgewecktes, neugieriges und lebensfrohes Wesen. Immer am Ball der Zeit, nicht unterkriegen lassen, wenn möglich die eigene Meinung durchsetzen und Entscheidungen treffen ohne sie zu bereuen. Wenn sie falsch waren, dann eben korrigieren und weiter machen. Ich habe immer gerne gelebt und irgendwie sind mir echte Niederschläge immer erspart geblieben. Natürlich gab es nicht immer nur rosige Zeiten, aber eben Katastrophen auch nicht.

Mit 30 war ich der Meinung nun sei die Jugend vorbei und das Alter beginnt. Ein Irrtum, es ging lustig und munter weiter. Daher ging der 40iger spurlos am mir vorbei. Mit 50 war ich der Meinung das müsse nun doch gehörig gefeiert werden, und daher gab es ein einwöchiges Fest im Waldviertel mit wechselnden Gästen und viel Programm. Ich erinnere mich noch gerne daran. Besonders auch weil ich mir zu diesem Ereignis einen Wunsch erfüllt habe den ich schon lange mit mir trug. Ein eigenes Feuerwerk um Mitternacht, und hier war die Möglichkeit es am Rande eines Sees zu machen, mit Wiederspiegelung im Wasser. Es war einfach toll.

Danach ging´s einfach weiter und meine Idee noch vor meinem 60iger aus der unselbstständigen Beschäftigung auszusteigen hat sich ebenfalls erfüllt. Doch dann kam es.

Der erste Krebs noch vor meinem 60.Geburtstag. Ich war enttäuscht, warum gerade mir, entsetzt, was wird nun, zornig auf meinen Körper, warum tust du mir das an. Aber ich war wild entschlossen diesen Krebs niederzuringen, koste es was es wolle. Die Operation verlief gut, es gab keine Metastasen und ich war überzeugt den Krebs besiegt zu haben. Unmittelbar nach der Kur, die sehr kurz nach der Operation war, bin ich in die USA geflogen um eine große Ausstellung vorzubereiten und dann 2 Monate später wieder, dann um sie auch durchzuziehen. Jeder hat mir davon abgeraten, ich sei noch zu schwach und müsse mich erst mal erholen, aber das habe ich in den Wind geschlagen und wollte mir und der Welt beweisen wie gut es mir geht.

Es war dem auch so, natürlich macht man sich plötzlich Gedanken über die Endlichkeit des Seins, verdrängt diese aber wieder und macht weiter. Doch ab diesem Zeitpunkt schleichen sich, anfänglich fast unmerklich, Einschränkungen ein, die man der Tagesverfassung zuschreibt. Bis dann plötzlich einschneidende Veränderungen auftauchen, ein kaputtes linkes Knie, das operiert werden muss, die medikamentöse Behandlung von Diabetes 2, wo kommt das denn nun schon wieder her? Und dann der zweite Krebs. Ein echter Niederschlag, ich hatte ihn doch besiegt? Wieder eine Operation, wieder keine Metastasen, diesmal kein Siegesgeheul, sondern die Hoffnung das er nie wiederkommt. 

Die körperlichen Einschränkungen werden mehr, es gibt keine Ausrede mehr, es ist einfach der beginnende Verschleiß des Körpers, ob man es nun will oder nicht.

Da die Umgebung davon dann auch betroffen ist macht die Sache nur noch schlimmer, denn man will ja so sein wie man immer war. Dann kommt noch eine Operation der Wirbelsäule dazu und, woher auch immer, das linke Knie und das linke Sprunggelenk machen Schmerzen, vor allem beim Stiegen steigen. Eine neue und echt unwillkommene Erscheinung ist das man keinen einzigen Tag mehr schmerzfrei ist. Der Gang wird unsicher und man fürchtet sich davor zu stürzen, denn das hätte noch gefehlt. 

Nun habe ich seit 2 Jahren den 3.Krebs hinter mehr und weiß, dass ich ihn bis an mein Lebensende nicht besiegen kann, sondern nur darauf aufpassen, dass ich ihn jeweils rechtzeitig erkenne und er behandelbar bleibt.

Ich habe in den letzten Jahren lernen müssen zu akzeptieren das ich alt geworden bin, nicht im Geiste, sondern dass mein Körper langsam aber sicher verschleißt. Früher hat er die Wünsche meines Geistes willfährig erfüllt, jetzt schränkt er mich ein, und das zu begreifen und zu akzeptieren ist das Schwierigste am alt werden. 

Ich bin ruhiger geworden, nicht weiser, aber abgeklärter, habe eine Menge Lebenserfahrung gesammelt und daher manchmal einen anderen Blickwinkel als Jüngere. Das muss auch so sein, denn wenn die Jugend nicht auf Veränderung aus wäre und ungeduldig ist, dann gäbe es keinen Fortschritt. Ich war ja selber lang genug so. Sollte jemand mich um Rat fragen so bekommt er ihn, aber ich dränge mich nicht auf. Ich hoffe nur das ich bis zum Ende meiner Tage meiner Umwelt nicht zu sehr auf die Nerven gehe und zur Last falle.

Denn nun bin ich mir meiner Endlichkeit und der doch inzwischen kürzeren Zeit bis dahin voll bewusst.