Hut ab vor diesem Mann, der mit den richtigen Worten auf eine solche Frechheit gelassen reagiert und ihm eine Lehre in Respekt erteilt.

Wenn er sein Ministerium so leitet dann gehen wir guten Zeiten entgegen.

Sehr geehrter Herr Jeannée,

vielen Dank für Ihren Brief, auf den ich auch gerne antworten möchte. Sie schauen auf meine Turnschuhe und denken an mangelnden Respekt. Aber was Sie da sehen, das ist Bodenhaftung.

Ich bin die vergangenen zehn Jahre mit Sneakers zu meinen Patientinnen und Patienten in die Ordination gegangen. Als Arzt habe ich keinen Unterschied gemacht, egal, wer da vor mir sitzt – was die Person verdient, wo sie herkommt, was sie wählt oder was sie anhat. Wer zu mir kommt, der bekommt meine Hilfe und meinen Respekt. Das ist mein Berufsethos.

Ich war Arzt bei den Suchtkranken vom „Ganslwirt“ und bei den obdachlosen Menschen vom Neunerhaus. Ich habe eine eigene Praxis auf der Mariahilfer Straße gehabt. Sie können sich sicher sein: Wer zu mir kommt, den behandle ich mit Respekt.

Seit ein paar Tagen bin ich Gesundheits- und Sozialminister. Ich habe mir über Intensivstationen Gedanken gemacht. Wie es Menschen geht, die nicht wissen, ob sie das Krankenhaus wieder verlassen werden. Wie es unseren Ärztinnen und Ärzten geht, den Pflegerinnen und Pflegern, die jeden Tag um jeden Corona-Patienten kämpfen. Ich habe mir über Corona-Impfstoff Gedanken gemacht. Ich habe über Armut und Pflege nachgedacht.

Über mein Outfit habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht. Ich habe gar nicht die Zeit dazu gehabt. Es ist mir ehrlicherweise in den vergangenen Tagen auch nicht wichtig gewesen.

Bei der Antwort auf Ihren Brief ist mir aber eines deutlich bewusst geworden: Aus meinem alten Leben als Arzt nehme ich zwei Dinge für meine neue Aufgabe als Minister mit – die Turnschuhe und den Respekt vor meinem Gegenüber, egal, wer das ist.

Beste Grüße, Dr. Wolfgang Mückstein