Interview mit mir

John, unser „guter Hausgeist“ und Mitbewohner, sollte ein Interview mit einem älteren Menschen für seine Ausbildung machen und das ist dabei entstanden.

Zur Person:

Mein Name ist Klaus und ich bin derzeit 75 Jahre alt, also 1943 geboren. Eigentlich hätte ich bis zu 4 Geschwister haben sollen, aber bedingt durch den Krieg haben meine Eltern beschlossen keine weiteren Kinder in die Welt zu setzen. Derzeit lebe ich mit meinem Mann in einer „verpartnerten Ehe“ und daher leider ohne Kinder. Eine Adoption von Kindern, die ich gerne gehabt hätte, wurde mir vom Gesetz so lange verboten bis ich jetzt zu alt dafür bin. Eine der vielen Diskriminierungen die ich auf Grund meiner sexuellen Orientierung immer hinnehmen musste.

Elternhaus:

Meine Eltern waren, so wie ich auch, Einzelkinder und kamen aus Ungarn und Deutschland womit es keine weiteren Verwandten in Österreich gab. Ich bin in einer Wohnung im dritten Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen und hatte einen Stock über uns ein älteres kinderloses Ehepaar als sozusagen meine Zweiteltern. Sie waren mir in meiner Kindheit eine Art Ersatz für Großeltern. Ich wurde, so wie meine Mutter, römisch-katholisch getauft, da mein Vater aber glaubenslos war, gab es zu Hause keine religiösen Vorschriften oder Aktivitäten. Meine Mutter achtete sehr auf gutes Benehmen, ohne dabei diktatorisch zu sein. Tischmanieren waren selbstverständlich. Ich empfand meine Erziehung nie als Druck oder Qual da meine Eltern sehr einfühlsam waren und die Methode immer an mein Alter angepasst haben.

Lieblingsessen:

Mein Geburtstagsessen in der Kindheit war Tomatensuppe und dann Semmelknödel mit Tomatensoße. Frisches Sauerkraut und Salzgurken, wenn ich meine Mutter zum Einkaufen begleitet habe, gab es immer statt Schokolade. Ich bin seit der Kindheit kein „Süßer“ sondern eher für salzig, bitter, scharf zu haben. Beide, meine Mutter und meine sogenannte zweite Mutter, waren hervorragende Köchinnen und es gab immer gute Hausmannskost. Fixe Gerichte, wie z.B.: für Ostern oder Weihnachten, Geburtstage etc. gab es nicht, sondern immer das was zum Zeitpunkt eben vorhanden war.

Rolle Mann und Frau:

Zur Rolle Mann und Frau kann ich nichts sagen, außer das ich finde das die Emanzipation derzeit kuriose Formen annimmt. Mein Vater ging arbeiten und meine Mutter war Hausfrau und Mutter und keiner der Beiden kam sich dabei diskriminiert vor.

Haushalt damals:

Haushaltsgeräte, außer Gasherd und im wahrsten Sinne des Wortes einem Eiskasten, gab es nicht, der Rest war Handarbeit. Wäschewaschen mit Auskochen, Zuber und Waschrumpel war ganz normal. Wie oft Wäsche gewechselt wurde weiß ich nicht mehr, außer das mich dagegen immer gewehrt habe, für Kinder ein normales Verhalten. Meine Mutter führte in einem dicken Buch alle, aber wirklich alle Ausgaben, mein Vater machte die Monatsabrechnung, und dann wurde entweder dem Haushaltsgeld noch was hinzugefügt oder für den Folgemonat gutgeschrieben. Ich habe dieses Buch noch heute und blättere darin manchmal zur Erinnerung. z.B.: steht dort Klaus Friseur in Kombination mit Klaus Lutscher, denn Ärzte und Friseure hatten weiße Kittel und die mochte ich verständlicherweise nicht. Ohne Lutscher kein Friseur. Das mit den Haaren war ohnedies ein Problem, die waren wirr und jeden Morgen wurden sie glatt gekämmt mit Rechtsscheitel und Haarspange, sehr gegen meinen Willen. Ich weiß nicht wie viele Haarspangen ich „verloren“ habe.

Freizeit:

Gespielt wurde auf der Straße mit den Jungs aus der Nachbarschaft, manchmal ging es auf die Jesuitenwiese zum Fußballspiel. Ansonsten haben wir an der Kirchenmauer anmäuerln mit Tonkugeln gespielt. Zu Hause eine von meinem zweiten Vater handgeschnitzte Holzeisenbahn und jedes Jahr bekam ich von einem bekannten Holländer einen weiteren Kasten Matador. Kinderspielplätze gab es keine.

 Bildung:

Die Volksschule habe ich im dritten Bezirk absolviert. Danach die Radetzky Realschule und später die Realschule in Linz wo ich auch maturiert habe. Mein Französischprofessor in Linz hat in mir die Grundlage dafür gelegt das ich nach der Matura die französischen Klassiker im Original gelesen habe. Nach meiner Matura war es sehr leicht Arbeit zu finden, es gab viel offene Stellen. Ich habe schon während meiner Mittelschulzeit in den Ferien gearbeitet und bin dann als Debitorenbuchhalter ins Vienna InterContinental gekommen um nach 3 Jahren zu jener Firma zu wechseln in der ich dann 34 Jahre verbracht habe. Damals war in solchen Positionen Anzug Hemd Krawatte noch üblich. In den späteren Jahren wurde es dann legerer.

Feste:

Weihnachten war sozusagen das Hauptfest mit einem Zimmer-Decke Christbaum, aber ohne großen religiösen Bezug. Silvester war klar und natürlich auch alle Geburtstage. Auch hier galt gegessen wurde was da war. 

Mode:

Soweit meine Eltern es zugelassen haben bin ich auch in der damaligen Teenagermode gegangen. Am Wochenende war Tanz angesagt, Rock & Roll bis zum Abwinken. 

Discos gab es noch nicht, sondern Tanzcafes. Ich war ein leidenschaftlicher Tänzer. Zu diversen Feiertagen gab es Familienausflüge, Radtouren und Wanderungen. Kino war oft, aber keine Wildwestfilme mit Ausnahme „Spiel mir das Lied vom Tod“ ebenso keine Sience Fiction Filme oder Krimis, sondern gute Filme wie „Jules und Jim“, „Atemlos“, „Phaidra“ oder ähnliches.

Eigenes Familienleben:

Ich habe meinen Mann durch Zufall kennen gelernt. Wir hatten von Anfang an eine intensive Beziehung, natürlich wieder mit den damals noch vorhandenen Einschränkungen des Gesetzes und der sogenannten „Moral“.  Aber das war uns egal. Verlobt ? wenn sie so wollen ja sehr lange, denn obwohl ich meinen Partner seit 1991 kenne durften wir erst 2010, wie ich es nenne, heiraten. Das Wort Verpartnerung finde ich einfach nur doof. Wir waren und sind sehr viel auf Reisen und haben dabei viele Länder besucht. Zusammen gezogen sind wir 1994 in mein Haus in dem auch meine Großmutter und meine Eltern gewohnt haben.

Das Leben Dritter:

Tipps für einen Hausstand Dritter habe ich nicht. Denn wir sind alle Individuen und verhalten uns individuell und es steht mir nicht zu anderen weise Ratschläge zu geben. Ich höre gerne zu und erkläre meinen Standpunkt dazu, den man berücksichtigen oder annehmen oder ablehnen kann, aber nur wenn der Andere es auch will.

Resumee:

Grundsätzlich habe ich ein mehr als zufriedenes Leben, fühle mich immer noch jung, zumindest im Geiste, was man in mancher Beziehung von meinem Körper nicht mehr ganz sagen kann. Ich bin dabei zu lernen alt zu sein, keine einfache Sache, wie ich inzwischen weiß.